23. Mai 2016

Rhein-Marne-Kanal: da steht ein bäriger Kerl

Die Nacht war wieder frostig und die Morgensonne muss sich erst durch den Dunst kämpfen. Umsonst. Denn kurz darauf beginnt es zu regnen und es weht ein eisiger Wind.
Wir fahren zum Einkaufen und Müll entsorgen nach Einville. Einville ist ein nettes lothringisches Dorf mit einer Bäckerei, zwei Brücken und vielen „zu-verkaufen“-Häusern. Und mit einem kleinen Hafen ohne Boote.

Erst nieselt es Regen, dann wird es nach und nach immer sonniger. Am Mittag legen wir in Dombasle-sur-Meurthe an und machen Fütterung. Die Allee-Bäume blühen rosarot und die Sonne gewinnt langsam die Oberhand.

Gleich hinter Dombasle-sur-Meurthe fahren wir mitten durch eine mächtige Fabrikanlage. Hier soll der weltgrösste Kalkbrennofen in Betrieb sein, steht geschrieben. Ich bin fast schon ein wenig begeistert.
Wie dem auch sei, wir fahren daran vorbei und weiter westwärts. Die Landschaft ist wie aus dem Ferienprospekt. Die Wiesen saftig grün, die Rapsfelder kitschig gelb und der Himmel himmelblau. Dann überqueren wir die Kanalbrücke von „Saint-Phlin“; oben Kanal, unten Fluss. Eigenartig.

Gegen Abend erreichen wir Nancy, mein vorläufiges Reiseziel. Wir finden einen sehr schönen Liegeplatz im Bassin Sainte-Catherine, leinen das Schiff an und machen gleich einen ersten Stadtspaziergang. „Nancy“ heissen ja sonst eher dickliche, englische Schulmädchen mit Zahnspange und Betonfrisur. Unser Nancy ist aber eine quirlige Stadt mit Hunderttausend Einwohnern. Mal schauen wie es von Nahe aussieht?

Der bekannteste Ort in Nancy ist der „Stanislas-Platz“ zwischen dem Hafen und dem Bahnhof. Ein streng quadratischer Platz mit klassizistischen Häusern rundherum. Alles aus weissem Sandstein und üppig vergoldetem Zierrat. Und mit einem mächtigen Denkmal in der Mitte. Oben drauf steht – wenig überraschend – der König Stanislas aus Bronze. Ein bäriger Kerl mit einer geblümten Decke über der Schulter und einem Säbel als Gehhilfe.
Er war damals König von Polen, wie ich dem Kleingedruckten auf dem Sockel entnehmen kann. Aber warum hier in Lothringen ein polnischer König steht, weiss ich auch nicht so genau?

Rund um die „Place Stanislas“ stehen das Rathaus, Theater, Museum, Grand Hotel, usw. Dazu noch ein Triumphbogen, ein Palast und zwei Dutzend Restaurants und Cafés. Das Auffallendste sind aber die unglaublich prunkvollen Schmiedeeisen-Gitter zwischen den Häusern. Sie hielten einst den Pöbel vom Platz fern. Das Blattgold funkelt und glitzert im Sonnenlicht.

Wir sitzen im Strassencafé bis uns die Kälte nachhause treibt. Wie jeden Abend kochen Lucy und Peti ein richtiges Mehrgang-Menü. Heute verspeisen wir eine Terrine mit buntem Salat und gedünsteten Lachs mit Fenchelgemüse. In Anbetracht ihrer Kochkünste wirken meine diesbezüglichen Fähigkeiten beschämend simpel. Ich kann bloss Wurstbrot – und abwaschen.

Heute sind wir 26 Kilometer, 10 Schleusen und zwei Kanalbrücken gefahren. Ich habe zudem eine lebende und eine andere Bisamratte gesehen.

4 Kommentare:

  1. Vielen Dank für die lebhafte und interessante Reisebeschreibung. Auch wir reisen gerne mit dem Boot, vorzugsweise auf den Seen und Flüssen in Skandinavien.

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    1. Im Norden oben kenne ich bloss den Göta-Kanal, wunderschön ...

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  2. Stanislas, König von Polen war Schwiegervater von Louis XIV, wurde Herzog von Lothringen und liess den Platz errichten. Weiteres über Nancy, ein sehenswertes Ausflugsziel:
    http://de.nancy-tourisme.fr/entdecken/geschichte-und-kulturerbe/unesco/place-stanislas/

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    1. Wenn ich solche Verwandtschaft hätte, bekäme ich bestimmt auch einen Platz mit meinem Namen! Aber wenn ich mir so meine Verwandtschaft anschaue - öööhm - nein :-(

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